Donnerstag, 12. April 2012

Alte Geschichten, neue Geschichten ... und eine Reise zu Tutanchamun

Schon seit einiger Zeit stand das alte Ägypten auf meiner "To-do-Liste", und gestern war es endlich so weit: Wir haben die Ausstellung "Tutanchamun - Sein Grab und die Schätze" besucht, die noch bis zum Juni in Frankfurt gastiert. Natürlich hatten wir eine Erwartung, und die Website ließ ja auch schon einen Eindruck dessen zu, was wir zu sehen bekommen würden.

Als erstes sahen wir dann eine Schlange am Kassenschalter ... hm. Jeder Besucher bekam ein Audiogerät zur Erklärung der Exponate. Mag ich eigentlich nicht besonders, weil ich lieber (selber) lese. Tja, und dann ging es in einen Raum mit ersten Exponaten - und nicht weiter. Es gab eine Schleuse zu einem Filmvorführraum, in den immer nur achtzig Leute hineingelassen wurden. Aber das Warten war nicht schlimm, denn schon im Vorraum konnte man erste Eindrücke über das alte Ägypten sammeln, und ich lernte den Vorteil des Geräts kennen: entspannt zuhören und betrachten, egal, wie viele Leute im Weg stehen :)

Und dann war es soweit ... Wir begaben uns auf die Reise. Ich nehme das Fazit vorweg: Eindrucksvoll wäre zu wenig gesagt. Es war einmalig! Wir bekamen keine Ausstellung zu sehen, wie man sie üblicherweise erwartet, sondern es wurde eine Geschichte erzählt, und in dieser Geschichte spielte der Entdecker des Grabes, Howard Carter, mehr als eine bloße Statistenrolle: In einem Film wurde er lebendig und mit ihm die Geschichte nacherlebbar, die mit diesem Grab eng verbunden ist. Wir wanderten durch die Welten, und durch die individuellen Stimmen aus dem Audiogerät konnte man die Stimmen dieser Welten auch individuell hören. Obwohl so viele Menschen um uns herum waren, blieb Platz fürs In-Sich-Gehen, Sinnieren, Nachfühlen, Nacherleben. Von der alten Welt der Ägypter über das Leben von Howard Carter führte die Zeitreise weiter zum Höhepunkt der Ausstellung: der Entdeckung des Grabes. Nun sprach Carter selbst zu uns, wir gingen mit ihm zusammen diesen Weg, so, wie er ihn vor neunzig Jahren gegangen war.  Wir erlebten die Spannung und Faszination, das erste Loch in der Mauer, der Kerzenschein, der auf goldene Betten und ein Sammelsurium unterschiedlichster Gegenstände fällt. Dann die Öffnung des eigentlichen Grabes, gezeigt auf einer Gaze-Leinwand - die Ahnung des Schatzes dahinter in blassem Licht schon sichtbar: Hoffnung, Erwartung, die sich erfüllt und übertroffen wird. Und dann der Gang ins Allerheiligste: die Kammer mit dem Kanopen-Schrein, in dem, bewacht vom hundegestaltigen Gott Anubis und vier Göttinnen, die Eingeweide des Pharaos beigesetzt sind.
Danach begann die "eigentliche" Ausstellung - die Besucher konnten nun die Einzelheiten der Grabkammer bestaunen, deren Zentrum die ineinander verschachtelten Grabschreine und die drei Särge für die Mumie Tutanchamuns bildeten.

Ein Grund, warum wir uns doch länger überlegt hatten, ob wir die Ausstellung besuchen, war die Frage, inwieweit es Repliken vermögen, einen authentischen Eindruck zu hinterlassen, diese Aura zu vermitteln, die Originalen eigen ist, die zugleich neben ihrer Äußerlichkeit einen Odem der Zeit zu verströmen scheinen, in der sie entstanden sind. Die Sorge war unbegründet, denn diese Ausstellung will mehr: Sie will nicht nur Fakten und Einzelheiten zeigen, sondern vor allem eine Geschichte erzählen, das Gespür der Unmittelbarkeit des Zusammenhangs herstellen. Die Ausstellung zeigt nicht die Realität, aber ein so liebevolles, detailliertes, spannend erzähltes Abbild davon, dass es ein sinnliches Vergnügen war, sich auf diese Geschichte einzulassen.

Dass das kein Zufall war, sondern das Resultat langer und akribischer Planung, hoher Handwerkskunst (alle Repliken wurden in ausgesuchten Handwerkerstätten in Ägypten hergestellt), gepaart mit einer Leidenschaft der vielen Beteiligten für das Projekt, dessen Gelingen keinesfalls garantiert war, ließ meinen Respekt für diese Leistung noch im Nachinein steigen. Carter, der zehn Jahre damit verbrachte, das Inventar dieser Schatzkammern akribisch zu dokumentieren und zu konservieren, hätte bestimmt seine Freude daran gehabt.

Handwerk, Beharrlichkeit, Leidenschaft, Geduld, Zeit: Es sind die gleichen Zutaten, die einst diese Geschichte ans Licht  brachten und die es jetzt ermöglichten, sie neu zu erzählen. 

Bis bald in der Stube
Nikola

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