„Denke … selbst (wenn möglich).“ Mit dieser schönen Einleitung beginnt auf der Plattform Qindie ein Kommentar zum Thema „Buchpiraterie“. Ich konnte mich einer Erwiderung nicht enthalten und frage: Ist das wirklich zu Ende gedacht? Im Falle von SB geht es nicht um
Meinung haben oder nicht haben oder um Gestrige, die nicht offen wären für
Neues. Es geht schlichtweg darum, dass hier jemandem, der sich offen zu
kriminellem Tun bekennt (oder, wie bitte, soll man den Euphemismus „Bücher
befreien“ mit ein bisschen Nachdenken anders subsumieren?), eine Werbeplattform
geboten wird, um sich und sein Tun in geschmeidigen Worten zu bewerben.
Was das Neue angeht, das wir denken müssen: Das ist alles
richtig! Alte Zöpfe abzuschneiden tut weh, es wird Verlierer, es wird Gewinner
geben, Manches wird untergehen, Neues wird entstehen. Wahrscheinlich begreifen
wir den gegenwärtigen Umbruch der Welt ebensowenig wie die Menschen den Umbruch
der Welt durch die Erfindung des Automobils begriffen haben: „Diese Maschine
wird das Pferd nie ersetzen können“, das meinte man damals mit dem gleichen
Ernst wie auch heute über alte Zöpfe debattiert wird. Also: Alles richtig, was
die Modell-Diskussion angeht, das Wege-Suchen, das Kritisch-Beleuchten.
Aber was hier und auch in anderen Debatten gemacht wird, ist
viel mehr als das: Man hat Verständnis für den Automobilisten, der ob der
Begeisterung für sein Gefährt Hühner, Kinder und alte Leute überfährt und das
damit rechtfertigt, dass sie eben zu langsam die Straße überquert haben. Wir
reden mit dem professionellen Ladendieb, der nach Abschaffung der
Tante-Emma-Läden und Einführung großer Warenhäuser mit dem Argument kommt: „Wer
einen solchen Konsumtempel betreibt und die Waren so verführerisch frei
hinlegt, ist doch selbst schuld, wenn ich sie mir nehme.“ Es ließe sich
fortführen: „Wie bitte? Du willst nicht, dass jemand deine Kreditkarte
missbraucht? Dann bezahle gefälligst weiterhin mit Bargeld!“ Wer will, kann
sich weitere Beispiele überlegen.
Neues wird immer dazu führen, dass es Menschen gibt, die
daraus auf Kosten von anderen ihren Vorteil ziehen, im schlimmsten Falle werden
neue Formen der Kriminalität entstehen. Das ist im und mit dem Internet nicht
anders. Es geht also nicht um neue Wege, es geht darum, wo wir die Grenzen
setzen wollen. Welche Werte wir leben und vermitteln wollen. Ob wir Kriminelle
salonfähig machen wollen. Leute, von denen wir nicht mal wissen, wer sie sind!
Leute wie SB, bei denen selbst die Maske, hinter der sie sich verstecken,
gestohlen ist.
Es geht nicht darum zu reden, kontrovers zu diskutieren,
Probleme zu thematisieren. Es geht darum, beliebig zu werden, für nichts mehr
zu stehen, keine Grenzen mehr zu kennen und für keine mehr zu kämpfen. Ist doch
alles nicht so schlimm. Ich hab doch Verständnis, für alles und jeden. Schöne
neue Welt.
Links:
Qindie - das Autorenkorrektiv
Original-Kommentar von Stefan Holzhauer und meine Originalreplik
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen