Montag, 17. März 2014

Schlüsselprozesse. DAS MUSS RAUS!

So gern ich ja über Berti und die Bücher schreibe, und so strikt, wie ich mir vorgenommen habe, nicht auch noch hier den Tag mit Gedanken über meinen frustrierenden Broterwerbsjob zuzukleistern – DAS muss raus!

Schon vor einiger Zeit hat man uns mitgeteilt, dass demnächst (mal wieder!) eine Umorganisation ins Haus stehe, natürlich zu unserer aller und der Sache unermesslichem Vorteil. Insbesondere, so das Credo, sei es wichtig, dem Betriebsgebilde einen identitätsstiftenden Rahmen zu geben, will heißen: wir werden dem Zeitgeist entsprechend corporatet identitiert. Kaffeegetränkt und semmelsatt strömte nach der Frühstückspause heute die gesammelte Meute vom Pförtner bis zum Chef in den großen Besprechungssaal, in dem ein crossmediales Mehrgängemenue auf uns wartete: Als Aperitif ein bedeutungsschwangeres Grußwort des Chefs und die Vorsuppe ein Feuerwerk aus powerpointierten Kästchen, Pfeilchen und Kringeln, die sich im Hauptgericht zu einer Komposition aus Flipchart-Botschaften mit Wölkchen drumherum und bunten runden Moderationskärtchen zu gut abgehangenen Flussdiagrammen mit einer gedünsteten Beilage aus gutmenschelnden Fotolia-Fotos zusammenfanden. Als Nachtisch gab`s die Aussicht auf diverse Workshops, in denen wir aus der operativen Ebene unsere Sichtweisen einbringen sollen. Na ja, ich fasse das Ergebnis mal zusammen: Das, was wir täglich tun, wird in Zukunft alles anders formuliert und dann läuft das Schlechte weiter wie gehabt und das Gute schafft man großteils ab, weil das nicht mehr in die zu erstellende Prozesslandkarte passt. Bedarfserschließungen werden durchgeführt und Schnittstellen werden erarbeitet, innerhalb der Prozesse zwischen den Schlüsselprozessen, wobei  Schlüsselprozess, so hab ich`s in meinem minderbemittelten Hirn jedenfalls verstanden, wiederum eine Formulierung für das ist, was wir seit Jahr und Tag schon machen, nur wird das eben in diesen noch zu installierenden Workshops neu erarbeitet, flussdiagrammatisch visualisiert und anschließend von der Basis bis zum Management durchnivelliert.

Ach ja, und die Kundenkommunikation soll ebenfalls analysiert und optimiert, das heißt dergestalt ausgerichtet werden, dass das, was wir jetzt schon verdrehen, in Zukunft noch etwas eleganter verdreht werden kann, damit sich die Kunden nicht ganz so verarscht vorkommen, was man unter das Rubrum strategische Entwicklungszielentwicklung subsumiert. Und das Malen nach Zahlen, will heißen: Die Entwicklung eines einheitlichen, den tieferen Sinn Ihrer Organisation spiegelndes und dem Identifikationsbedürfnis des Personalkörpers Rechnung tragendes Symbol in Form eines adäquaten Logos, soll in einem weiteren Arbeitskreis initiiert, in abteilungsübergreifenden Workshops konzipiert und durch die Einrichtung von Qualitätszirkeln feinjustiert werden, selbstverständlich unter Einbeziehung Ihrer sozialen und arbeitsökonomischen Bedürfnisse und innovativ-kreativen Ideen.
Angesichts solcher Aussichten kann man ja gar nicht anders als abgrundtief begeistert zu sein! Und damit das so bleibt, hat sich der Chef den unverzichtbar wertvollen Blick von außen geholt. Serviert wurde das Menue nämlich von einer typischen, sorry, Kommunikationstussi, die aussah, als würde sie den Heiligen Abend mit einem 120-seitigen Powerpointvortrag einläuten. Die war so verliebt in ihre Strategien, dass ich die ganze Zeit darauf gewartet habe, dass sie auf den Tisch steigt und den Beamer küsst. Und unser Chef erst! Kaum wiederzuerkennen!
Wir freuen uns, dass wir für diese wegweisende Aufgabe eine ausgewiesene Fachfrau gewinnen konnten. Frau Dr. Libeskinnt, mit „Doppel-Enn“ und einem „Tee“ (witzisch, witzisch, Cheffe!) wird uns und Sie durch diesen spannenden Prozess begleiten und sicherlich wertvolle Impulse geben.

Immerhin hat sie es fertiggebracht, den gesamten Betrieb für den Rest des Tages lahmzulegen, denn nach dem genialen Vortrag war an Arbeiten natürlich nicht mehr zu denken. Aber wenn ich ehrlich bin: Es sprießt schon, das zarte Pflänzchen der neuen Corporate Identity: Der Depp aus der zweiten Etage, der inzwischen wahrscheinlich 4300 Facebook-Freunde hat, meinte auf dem Weg zurück in die Büros: Tja, ja, du liebes Kind: Da kommt ein schöner Scheiß auf uns zu! Und alle haben losgegrölt. Sogar die schüchterne Tippse aus der 1. Etage, 3. Büro links, von der ich mir nie den Namen merken kann. Wenn das so weitergeht, trinken wir nach dem Workshoppen demnächst alle  ein Bier zusammen!
 
aus: Neues vom Verleger.
www.thoni-verlag.com
 

Samstag, 9. November 2013

#buchbloglob - Leser, Ihr seid dran!

Es gibt so viele wunderbare Bücher, und doch: Manchmal fragt der Leser sich, wo und wie er sie finden soll? Zeitungen und Magazine, die durch Rezensionen oder auch Berichte über Autoren früher eine wichtige Filterfunktion hatten, fahren ihren "Literaturteil" zunehmend zurück oder schaffen undurchsichtige (Rechts-)Verhältnisse, die es Autoren, Verlagen oder anderen Bücherbegeisterten schwer bis unmöglich machen, "sicher" zu zitieren. Hinzu kommt, dass die quirlige und lebendige "Indie-Szene" der Selfpublisher in der "etablierten Literaturwelt" immer noch kein Zuhause gefunden hat, sei es im Buchhandel, sei es in "etablierten" Bücherlisten oder im Buchhandel "um die Ecke", der selbst ums Überleben kämpft. Und mittendrin stehen die Leser, die nur eins wollen: Gute, spannende, fantasiereiche, schöne Bücher lesen!

Was "gut", "spannend" oder "schön" ist? Ja, das unterscheidet sich in der Tat von Leser zu Leser, und doch: Journalisten und Buchhändler schafften es lange Zeit, dem Leser Orientierung im "Bücherdschungel" zu bieten. Das tun sie heute immer noch, aber es ist ein anderer Filter hinzugekommen, dessen Initiatoren ebenso wie die Selfpublisher lange Zeit ein belächeltes Dasein führten: die Community der Buchblogger.

Ich behaupte, ihre Bedeutung wird in den kommenden Jahren weiter steigen, denn sie bieten den Lesern nicht nur Orientierung, sondern auch ein "Buchzuhause". Was liegt näher, als Leser und Bücherblogger noch näher zusammenzuführen?

Liebe Leserinnen, liebe Leser, Ihr seid am Zuge: Bewertet Eure Lieblings-Buch-Blogs und twittert sie an andere Lesebegeisterte weiter!

Links
#buchbloglob - Einladung zum Mitmachen
#buchbloglob auf Twitter
#buchbloglob - Buchblogliste A - Z
Café Mocca - Der Lesertreff im Thoni Verlag

... und ich auf Twitter: Nikola Hahn @baumgesicht

Montag, 4. November 2013

BUCHTHEATER - 3. Lesegeheimnisse ...

Am Anfang war das Hören. Die Menschen saßen ums wärmende Feuer, draußen oder drinnen in der Höhle, Sonnenuntergang, dämmriges Licht. Einer erzählte, die anderen schwiegen, hörten zu. Was bekamen sie wohl zu hören, unsere Ahnen? Erlebtes, Erfahrenes, erzähltes Wissen, das von Generation zu Generation weitergegeben und dadurch zum Gedächtnis aller, zur Geschichte wurde. Viele tausend Jahre später wurde immer noch erzählt, im Winter die Weihnachtsgeschichte, unterm Baum mit Kerzenlicht, Plätzchenduft, und die Hörer bekamen glänzende Augen. Abends folgten Gute-Nacht-Geschichten, aus dem Zauber des Augenblicks geboren; die Kinder vergaßen sie lange nicht, manche vergaßen sie nie. Zwar waren die meisten dieser Geschichten längst auf Papier gedruckt, aber das Vorlesen war mindestens so geheimnisvoll wie das Erzählen, denn der Vorleser gab wie einst der Erzähler der Geschichte seine eigene Stimme.
 
Waren es Erzähler, waren es Hörer? Irgendwer hatte irgendwann angefangen, gehörte Geschichten aufzuschreiben. Fortan blieben sie besser in Form, veränderten sich nicht mehr beliebig, und wurden doch jedes Mal neu und anders, denn nach wie vor fingen sie erst in den Köpfen derer an zu leben, die sie lasen. Der Leser wurde autark, zum Souverän. Er erzählte sich fortan selbst, indem er las. Schmucklose Buchstaben erzeugten Stimmen und Bilder, schmolzen zu einer Melodie, die nur für ihn, in einer einzigartigen Weise spürbar, hörbar, fühlbar war. Und die ihn gleichzeitig mit anderen Lesern verband, die Gleiches, aber nie dasselbe fühlten und spürten.
 
Ein Kinobesucher kann vom Film begeistert sein, wie der Leser kann er mit den Figuren fühlen, leiden, weinen. Kann ein Film nicht ebenso entführen, wie es ein Buch vermag? Oder, um den Sprung ins elektronische Zeitalter zu tun: Ist die Krönung nicht das PC-Spiel, in dem der Konsument zum Akteur wird, der die Geschicke mitbestimmt, der letztlich seine eigene Geschichte schreiben kann?
 
Wer einen Film anschaut, braucht keine Bilder im Kopf, er bekommt sie auf der Leinwand oder dem Bildschirm fertig geliefert: die einsame Landschaft genauso wie das Großstadtleben oder eine ferne Galaxie. Die Bösen und die Guten sehen aus wie sie eben aussehen, und das Rot ihrer Mäntel und das Blau ihrer Hemden zeigt der Filmemacher den Zuschauern als Fixum. Es gibt nichts dazuzudenken, es ist alles schon da. Der Zuschauer konsumiert, der Leser interpretiert: die Intensität von Rot, das Leuchten von Blau, hysterisches Lachen, einen schüchternen Blick, einen verborgenen Garten, den Sonnenaufgang. Der Zuschauer kann fühlen und mitfühlen, sich gruseln und ekeln, aber er kann es nur in der Welt tun, die ein anderer ihm vorsetzt. Die Welt des Lesers wird lebendig in dem Moment, wenn er sie erliest, er faltet einen Fächer auf und bemalt ihn mit eigenen Farben. Er geht in ein Haus und richtet die Zimmer ein. Der Fächer des Zuschauers ist schon aufgeklappt, und manchmal ist er mit so wunderbaren Mustern und Farben bemalt, dass er sich darin verlieren kann. Und doch bleibt er vorgefertigt, seine Schönheit ist für alle gleich. Die Welt des Lesers hingegen wird erst durchs Lesen fertig. Ein Autor hat nur sechsundzwanzig Bausteine, aus denen er einen Fächer oder ein ganzes Haus bauen kann, und sie taugen nicht, sämtliche Möbel zu zimmern. Filme laden ein zu einer Fertighausausstellung. Häuser und Gärten sind formvollendet angelegt. Das kann gefallen, sogar dem nahekommen, was der Zuschauer mag und sich wünscht. Es kann ihn inspirieren, beflügeln. Und doch bleibt er Gast, wird kein Gestalter. Niedergeschriebene Geschichten hingegen laden den Leser ein, die Räume nach eigenem Gusto zu füllen, das Grün im Garten nach Gespür und Gemütsverfassung zu komplettieren.
 
Der Zuschauer bekommt etwas geboten: Er sieht und hört. Der Leser sieht nichts außer reizlosen Zeichen, die zu Wörtern verbunden sind. Erst wenn er anfängt zu lesen, entfaltet sich der Zauber: Die Wörter, Sätze, Seiten fangen ihn ein; aus ihnen sprudelt Spannung, Abenteuer, Sehnsucht, Wehmut, Trost und Trauer, Lachen, Leben, Lust.
 
Aber hat die Moderne das alles nicht längst überholt, selbst den Film, den altmodischen, hinter sich gelassen? Ist nicht der PC-Spieler der wahre Gewinner im Geschichten-Erleben? Er lässt nichts Erzähltes über sich ergehen, er gestaltet es mit! Ist er nicht der kreativste, fantasievollste Konsument von allen? Auf den ersten Blick vielleicht. Aber was ist er tatsächlich?
 
Der Spieler begibt sich wie der Zuschauer und der Leser in eine fremde Welt, aber er muss etwas tun, um sie erlebbar zu machen. Er kann nicht genießen ohne zu handeln. Er tut in einer fremden Welt, was die Menschen seit Anbeginn ihres Daseins in ihrer eigenen Welt tun: Agieren, Reagieren, Interagieren, Kämpfen, um sich zu profilieren, zu amüsieren, sich mit anderen zu messen, an ihnen zu wachsen oder zu scheitern. Er folgt einem Weg, den ein anderer angelegt hat zu einem Ziel, das ein anderer definiert hat. Weil er das Ziel nicht kennt, mag der Weg dorthin spannend sein, aufregend, anregend. Vor allem, wenn es hier und da einen Abzweig gibt, eine Gabelung, die vorspiegelt, selbst entscheiden zu können. Der Spieler wird Gefühle haben, Ärger, Freude, Lust, aber sie sind nicht mit seinem Leben verbunden, haben dort keine Konsequenz, lassen ihn nicht reifen. Er lebt ein virtuelles Leben, das anstrengt wie ein echtes. Nur dass es nicht echt, nicht wahr ist.
 
Geschichten hingegen wollen gar nicht wahr sein, sie wollen nur das Gefühl von Wahrheit erzeugen, Gegenpart zu den Zumutungen des Alltags, Rückzugsort für die Seele sein. Sie fordern nichts außer das Stillesein. Wer eine Geschichte liest, kann niemals scheitern. Im Zimmer der Fantasie steht ein Sofa, und das Fenster, das den Blick hinaus ins Grüne lenkt, ist weder dafür vorgesehen noch geeignet, ein Bungee-Seil daran zu befestigen. Geschichten brauchen Ruhe, keinen Krawall. Sie vertragen sich mit Bildern, nicht mit Animation.
 
Vielleicht wird man irgendwann all den Out-Geburnten statt Yoga und Klosterwochenende empfehlen, ein Buch in die Hand zu nehmen, Geschichten nicht zu konsumieren, sondern zu erlesen. Womöglich werden sie fragen, wie die Altvorderen es angestellt haben, sich mit Papier und Buchstaben zu amüsieren. Und warum sie als moderne Menschen Zeit damit verschwenden sollten, auf Schwarzweiß zu gehen in ihrer fröhlich bunten smartgephonten Online-Welt.
Wie schade das wäre!
(c) Nikola Hahn
 
u.a. als Kolumne veröffentlicht bei Qindie - Das Autorenkorrektiv.

Montag, 28. Oktober 2013

Bücher stehlen? Aber ja doch! Alles nicht so schlimm ...

Es gibt Themen, die treiben einen um ... Zum Verständnis: SB = Spiegelbest, ein sog. "Buchpirat", der auf der Internetseite Qindie (einer Autoreninitiative für unabhängiges Publizieren(!), der ich auch angehöre, was es nicht besser macht), eine kostenlose Werbeplattform erhielt.

„Denke … selbst (wenn möglich).“ Mit dieser schönen Einleitung beginnt auf der Plattform Qindie ein Kommentar zum Thema „Buchpiraterie“. Ich konnte mich einer Erwiderung nicht enthalten und frage: Ist das wirklich zu Ende gedacht? Im Falle von SB geht es nicht um Meinung haben oder nicht haben oder um Gestrige, die nicht offen wären für Neues. Es geht schlichtweg darum, dass hier jemandem, der sich offen zu kriminellem Tun bekennt (oder, wie bitte, soll man den Euphemismus „Bücher befreien“ mit ein bisschen Nachdenken anders subsumieren?), eine Werbeplattform geboten wird, um sich und sein Tun in geschmeidigen Worten zu bewerben.
Was das Neue angeht, das wir denken müssen: Das ist alles richtig! Alte Zöpfe abzuschneiden tut weh, es wird Verlierer, es wird Gewinner geben, Manches wird untergehen, Neues wird entstehen. Wahrscheinlich begreifen wir den gegenwärtigen Umbruch der Welt ebensowenig wie die Menschen den Umbruch der Welt durch die Erfindung des Automobils begriffen haben: „Diese Maschine wird das Pferd nie ersetzen können“, das meinte man damals mit dem gleichen Ernst wie auch heute über alte Zöpfe debattiert wird. Also: Alles richtig, was die Modell-Diskussion angeht, das Wege-Suchen, das Kritisch-Beleuchten.
Aber was hier und auch in anderen Debatten gemacht wird, ist viel mehr als das: Man hat Verständnis für den Automobilisten, der ob der Begeisterung für sein Gefährt Hühner, Kinder und alte Leute überfährt und das damit rechtfertigt, dass sie eben zu langsam die Straße überquert haben. Wir reden mit dem professionellen Ladendieb, der nach Abschaffung der Tante-Emma-Läden und Einführung großer Warenhäuser mit dem Argument kommt: „Wer einen solchen Konsumtempel betreibt und die Waren so verführerisch frei hinlegt, ist doch selbst schuld, wenn ich sie mir nehme.“ Es ließe sich fortführen: „Wie bitte? Du willst nicht, dass jemand deine Kreditkarte missbraucht? Dann bezahle gefälligst weiterhin mit Bargeld!“ Wer will, kann sich weitere Beispiele überlegen.
Neues wird immer dazu führen, dass es Menschen gibt, die daraus auf Kosten von anderen ihren Vorteil ziehen, im schlimmsten Falle werden neue Formen der Kriminalität entstehen. Das ist im und mit dem Internet nicht anders. Es geht also nicht um neue Wege, es geht darum, wo wir die Grenzen setzen wollen. Welche Werte wir leben und vermitteln wollen. Ob wir Kriminelle salonfähig machen wollen. Leute, von denen wir nicht mal wissen, wer sie sind! Leute wie SB, bei denen selbst die Maske, hinter der sie sich verstecken, gestohlen ist.
Es geht nicht darum zu reden, kontrovers zu diskutieren, Probleme zu thematisieren. Es geht darum, beliebig zu werden, für nichts mehr zu stehen, keine Grenzen mehr zu kennen und für keine mehr zu kämpfen. Ist doch alles nicht so schlimm. Ich hab doch Verständnis, für alles und jeden. Schöne neue Welt.

Links:

Qindie - das Autorenkorrektiv
Original-Kommentar von Stefan Holzhauer und meine Originalreplik 

Samstag, 26. Oktober 2013

Wut im Bauch!

Ja, ich gehöre auch zu denen, die es NICHT gut finden, dass Leute vom Schlage eines "Spiegelbest" ein Forum und damit Gratis-Werbung(!) ausgerechnet bei einer Selfpublishing-Organisation erhalten, die Qualitätssicherung auf ihre Fahnen geschrieben hat (Qindie). Verflixt noch mal: Warum musste man auch noch das Piratennest mit Adresse benennen?!
Natürlich halte ich die Diskussion aus, auch, dass anderen der Illegal-Download ihrer Bücher egal zu sein scheint. MIR ist das NICHT egal. Weil ich auch etwas dagegen hätte, wenn am Monatszweiten die Hälfte meines Gehalts zurückgebucht würde, weil jemand meint, er bräuchte auch ein bisschen Geld und ich hätte ja ohnehin noch genug und außerdem ... Lassen wir das.
Natürlich trete ich deshalb nicht bei Qindie aus, aber ich finde schon, dass man eine solche Diskussion, wenn schon, mit etwas mehr "Hinterdenken" anzetteln sollte. Das Statement des Herrn "Buchpiraten" ist ein geschickter Marketing-Schachzug. ER zumindest hat seine Publicity bekommen. Wenn Qindie nicht aufpasst, bleibt es auf dem Kollateralschaden sitzen.  
Wenn ich überlege, wie viel - gerade in Selfpublisher-Kreisen - Wert darauf gelegt wird, "frei" zu sein, frei von inhaltlichen, frei von organisatorischen, frei von VERLAGS-Zwängen - und die gleichen Leute finden es dann überlegenswert, mit "Unternehmungen" zu liebäugeln, deren "Inhaber" die Entrechtung von Autoren zum Geschäftsmodell erklärt haben? Das macht einigermaßen fassungslos.
Und mal ehrlich: Gerade die Selfpublisher gehen doch mit der Preisgestaltung schon mehr als es teilweise die Schmerzgrenze erlaubt, auf ihre Leser zu. Einen Roman für den Gegenwert einer Tasse Kaffee oder einer Schachtel Zigaretten! Wenn Leser nicht mal bereit sind, das zu bezahlen: Welchen Wert messen wir uns selbst, unserer Arbeit noch zu? Statt Pionierarbeit zu leisten, indem wir Selfpublisher selbstbewusst sagen: Hey, Verlage, Ihr habt im Printbereich durch die Möglichkeit, große Auflagen zu drucken, die Nase vorn, was die Preise angeht, aber WIR haben im eBook-Bereich die Nase vorn, weil wir die günstige Herstellung eines eBooks eben nicht auf den großen Verlagsapparat übertragen müssen ... Nein, statt dessen wird "Gratis-Kultur" gefahren oder eine Flatrate schöngeredet. FLATRATE für Bücher. Supi. Was und wer wird davon wohl profitieren? Natürlich die Bestseller. Aber doch nicht engagierte und schreibende Überzeugungstäter, die nicht bei jedem Wort auf den Publikumsgeschmack schauen und vielleicht gerade deshalb lesenswerte Bücher schreiben? Haben diejenigen unter uns, die aus der Verlagswelt kommen, nicht genau das im Selfpublishing gesucht? Die Freiheit, gerade einmal NICHT jedem Trend hinterherzuschreiben? Sich gerade NICHT von anderen bestimmen, bevormunden zu lassen? Das, was "Spiegelbest" macht, propagiert und will, widerspricht dem Gedanken der Schriftsteller- und Verlegerfreiheit gleichermaßen. ER weiß, was für uns gut ist. Und wenn wir das nicht einsehen, dann haben wir halt Pech gehabt und sind von gestern.
Ok. Dann bin ich von vorgestern.*
 
Und hier ein paar Links zum Verständnis:

Qindie - das Autorenkorrektiv (Startseite)
Beitrag von (Qindie-Mitglied) Ruprecht Frieling dazu (und darunter meine in Wallung geschriebene Erwiderung, die über das Oben Gesagte noch hinausgeht ;))

* In leicht abgewandelter Form habe ich den Post auch bei Qindie hinterlassen.

Dienstag, 15. Oktober 2013

Buchmesse 2013 - Eine Bilderreise mit Gewinnspiel

Dreimal "Der Garten der alten Dame" zu gewinnen!

 
Während ihres Messerundgangs traf Nikola Hahn unversehens auf eine ihrer Romanfiguren aus "Der Garten der alten Dame". Natürlich hat sie ihre Begegnung im Bild festgehalten - nur in welchem? Und wen hat sie nun getroffen?
 
Unter allen richtigen Einsendungen, die bis zum Samstag, 19. Oktober, im Thoni Verlag eingehen, werden drei Exemplare des Romans "Der Garten der alten Dame" verlost!

1. Preis: "Der Garten der alten Dame", Frühlingsgarten (farbige Schmuckausgabe)
2. Preis: "Der Garten der alten Dame", Herbstgarten (mit Schwarzweißillustrationen)
3. Preis: "Der Garten der alten Dame", Wintergarten (vollständige Textausgabe)

Hier geht`s zur Buchmesse-Bildergalerie und dem Gewinnspiel - viel Vergnügen und viel Glück!
 

Sonntag, 13. Oktober 2013

Messerückblick - Braucht das jemand?


Eigentlich ist es erschreckend, wie schnell der Alltag einen wieder hat … aber so ein bisschen kann man es hinauszögern, es ist ja (noch) Sonntag. Spät fing sie diesmal an, „meine“ Messe, erst gestern. Der Gang zum Bahnhof, der Herbstduft in der Luft, das war die gewohnte Einstimmung. In der Bahn sitzt mir ein Junge gegenüber, geschätzte fünfzehn Jahre alt, und ich warte instinktiv darauf, dass es passiert. Aber er schaut bloß aus dem Fenster. An der nächsten Station steigt sein Freund zu, kramt in seiner Tasche. Jetzt aber! Wieder täusche ich mich. Statt seines Handys holt er eine Tüte mit Croissants heraus und die beiden Jungs verbringen die Bahnfahrt mit einem Gespräch. Nicht einmal wird telefoniert, gesimst oder überhaupt nur das Handy rausgeholt. Lange nicht mehr erlebt, schön zu sehen.
Die Bahn fährt bis zur Messe durch, aber ich steige wie immer am Hauptbahnhof „Tief“ aus. Das muss sein! Dieses Mal auch deshalb, weil ich endlich herausfinden will, wo sich  meine Lieblingsbuchhandlung versteckt. B-Ebene, ein dunkles Eck, die Lichter sind noch aus. Ich schiebe einen Gruß unter der Glastür durch, dass ich mich aufs Treffen am Abend freue und gehe nach oben. Ich liebe diese knapp zehn Minuten Fußweg vom Bahnhof bis zur Messe, genieße es, ein Teil der Rucksack tragenden, Rollkoffer ziehenden Karawane zu sein. Die Messe öffnet um neun, ich habe noch Zeit, mache einen Abstecher zum Skyline Plaza, Frankfurts neuem Einkaufstempel. Edel sieht es drinnen aus – und es herrscht gähnende Leere. Die Buchhandlung im ersten Stock: verschlossen wie die meisten Läden, aber nun weiß ich wenigstens, wo ich abends hin muss.
Und jetzt, endlich: Auf zur Messe! Vor dem Eingang packen die Händler des modernen Antiquariats ihre Ware aus, prallvolle Kisten, ein Schild: Alle Bücher für zwei Euro! Die ersten Besucher wühlen schon.
„Vorsicht, Buch!“, begrüßen zwei lächelnde junge Frauen die Besucher. Der gelb-schwarz in Szene gesetzte Slogan des Börsenvereins: Wo passte er besser als am Eingang zu dieser verrückten Bücherwelt? Ich frage und darf fotografieren, B-Ebene, Skyline Plaza, Hammering Man, Bücher-Warnung. Es wird noch einiges dazukommen.  
Hinter dem Durchlass innehalten, sortieren: Jacke aus, Plan raus. Wo will ich hin, und wo muss ich hin? Die neuen Visitenkarten griffbereit – und, ach!, die Lesebrille, die mal wieder daran erinnert, dass ich nicht mehr zu den jungen Besuchern gehöre. Ich weiß nicht mehr, wie viele Jahre (oder sollte ich ehrlich sagen: Jahrzehnte) es her ist, seit ich zum ersten Mal auf der Messe war. Als sehr junge Leserin, später als unerfahrene Autorin, die hoffte, einen Verlag für ihr Manuskript zu finden, und noch viel später als Autorin, die „es geschafft hatte“, und das auch noch mit einem Hardcover-Schmöker bei Ullstein! Ich muss lächeln bei der Erinnerung. Das war wohl das einzige Jahr, in dem ich nur als Autorin auf der Messe war, und der Leserin nicht mal ein halbes Stündchen gönnte fürs Stöbern nach neuem Lesestoff.

Tja, und dieses Jahr bin ich als multiple Persönlichkeit eingelaufen: wie gewohnt als neugierige Leserin, dazu als Autorin, die sich auf persönliche Begegnungen mit ihren Lesern freut, außerdem als Kriminalbeamtin auf der Suche nach Fachliteratur, und last not least als Verlegerin mit diversen Terminen. Die Messe ist eine gute Gelegenheit, Geschäftspartner, mit denen man bislang nur per Telefon oder eMail kommuniziert hat, persönlich kennenzulernen. Und dann gibt es solche Zufälle, die nur an solch einem bücherverrückten Platz geschehen können …  Mein „Nachfolger“ im Terminkalender bei KNV (Barsortimenter und Partner für den Druck meiner Bücher aus dem Thoni Verlag) ist ein Mönch aus der Abtei Münsterschwarzach. Ob ich die Abtei kenne? „Aber sicher!“, sage ich lächelnd. Immerhin habe ich die Erlaubnis, den berühmten Cellerar der Abtei, Pater Anselm Grün, in meinem Roman „Der Garten der alten Dame“ zitieren zu dürfen. Ein kurzes, herzliches Gespräch, für das ich mich selbstverständlich mit einem signierten Buch bedanke.
Nächster Termin in der gleichen Halle, nur einige Schritte entfernt, beim Börsenverein. Ich nutze die verbleibende Zeit, um meine ersten Eindrücke zu notieren, melde mich an. Und dann: Rollenwechsel. Eben noch gewöhnliche Messebesucherin, jetzt, nur zwei Tische weiter, versorgt mit Keksen und Getränk die Verlegerin, die auf ihre Gesprächspartnerin wartet. Diesmal geht es um die Distribution meiner eBooks in den Buchhandel. Wir reden lange, und schließlich wechseln wir von „e“ nach „p“, diskutieren über das Vergnügen, gut gesetzte Bücher zu machen und zu lesen, über den Umgang mit Sprache, und die getaktete Zeit gerät aus dem Ruder. Wir lachen beide, als wir merken, dass die halbe Stunde eines gewöhnlichen Geschäftstermins längst vorüber ist. Wir kehren zum Büchermachen zurück, und einmal mehr wird mir klar, dass ich das mittlerweile genauso liebe wie das Bücherschreiben.
Danach macht die Verlegerin erst mal Pause; die Leserin hat am Morgen schon nach Halle 3 geschielt, jetzt darf sie hin: ins Reich der gedruckten Fantasie. Ja, auch in Halle 4 ist die Fiktion zu Hause, aber "die Drei" ist und bleibt für mich das Messe-Synonym für belletristisches Schreiben. Leider nicht nur für mich. Unglaublich, wie viele Menschen sich inzwischen durch die morgens noch angenehm luftigen Hallen schieben, wer stehen bleibt, stört den Fluss. Ich beschließe, meine Leserseele in Halle 4.1 zu befriedigen. Der Weg dorthin endet erst mal an der Rolltreppe; zahllose Sicherheitsleute in knallgelben Jacken versuchen die Massen zu lenken.
„Bitte immer zu zweit auf eine Stufe!“ – „Bitte einen größeren Bogen gehen!“ Sie tun ihre Arbeit freundlich und dezent, trotzdem: Das Gefühl eines Herdenauftriebs bleibt.
Auch in Halle 4 herrscht Gedränge, aber es ist nicht ganz so voll. Es bleibt Platz fürs Verweilen – und die Erinnerungen sind wieder da: Diese engen Nischenstände, in denen man schon Platzangst kriegt, wenn sich mehr als zwei Leute darin unterhalten, in denen es weder Kaffeeautomaten noch Konferenzgebäck gibt, nur: Bücher. Ich denke an den verstorbenen Verleger Theo Czernik, an seinen kleinen Stand, die schönen Lyrikbände, die er herausgab, an die unvergesslichen Gespräche, die wir führten. Langsam gehe ich von Stand zu Stand, bewunderte fantasievoll dekorierte Bücherregale, schaue einem "alten Drucker" zu, um dessen historische Druckerpresse sich Kinder mit leuchtenden Augen scharen, und dann, ich glaube es kaum, begegnet mir Rudi! Oder sollte ich sagen Luigi? Keine Ahnung, warum ich auf die Idee kam, eine "lustige Lok" in den "Garten der alten Dame" einzubauen, aber offenbar ist hier noch jemand der Meinung, dass kleine Eisenbahnen gut in Bücherwelten passen. Nach der nächsten Standreihe nimmt die Leserin und jetzt auch wieder: Autorin Abschied, und schon wenig später stöbert die Kriminalkommissarin nach Fachliteratur. Passend für beide der vorletzte Termin, ein kleiner Krimiverlag, den Verleger kenne ich aus dem Polizeibetrieb, und wissenschaftliche Bücher verlegt er auch. Da haben zwei Verrückte mehr als eine Stunde genügend Stoff zum Debattieren.
Den Abschluss sollte eigentlich ein Lesertreffen bilden, aber per SMS kommt die Info, es klappe leider nicht. Ich ziehe mich in eine Ecke im ARD-Forum zurück, im Hintergrund tönt eine Einspielung des neuen Polizeirufs 110. Die laute Stimme der Moderatorin fügt sich an, die über den Film spricht. Ich schaue mich um und grinse: Selbst im Tempel der bewegten Bilder hat das Buch die Macht. Links und rechts von mir sitzen sie, lesend. Jung und alt. Vorsicht, Buch! Herrlich.
Ich versuche noch einmal mein Glück in Halle 3.1 – zwecklos. Nicht jammern, jubeln! Ein solches Gedränge an einem Ort, wo in der Hauptsache auf Papier gedruckte, uncoole und un-enriched langweilige Buchstaben ausgestellt sind: Gibt es eine größere Liebeserklärung an das "altmodische" Medium Buch?  
Nichtsdestotrotz: Der Rücken schmerzt, die Füße mosern; ich beschließe, den Messebesuch „drinnen“ abzuschließen. Als ich nach draußen komme, Enttäuschung: Es regnet, und die Stände der Antiquitätenhändler sind größtenteils immer noch – oder schon wieder – abgedeckt. Schade. Was habe ich hier schon Bücherschätzchen aus dem alten Frankfurt gefunden! Ich spanne den Regenschirm auf, wiederhole den Weg von heute Morgen … Jetzt ist das Skyline Plaza aufgewacht, lebt, pulsiert.
Ende August hat Osiander im ersten Stock eine Buchhandlung eröffnet. Eigentlich mag ich Buchhandlungen in Shoppingmalls nicht sonderlich, der Bücherduft verliert sich zumeist zwischen zu viel Glas und Style. Bücher seit 1596, das klingt sympathisch. Und was ich sehe, gefällt mir: weit geöffnete Türen, durch die die Bücher bis auf den Gang herauszukommen scheinen. Drinnen zahlreiche Kunden, die stöbern, blättern, probelesen. Und die Messe ist auch hier: Autoren signieren ihre Bücher. Am Eingang sitzt Jochen Rausch, spricht mit einer Mitarbeiterin. Ein Blick zur Uhr: Seine Signierstunde hat gerade erst begonnen, noch ist niemand gekommen – ich spüre plötzlich das Gefühl, das ich bei meiner ersten Signierstunde hatte: Neben mir ein Stapel Romane, vor mir ein Stift und der Gedanke: O Gott! Und wenn jetzt niemand kommt? Es kam mehr als jemand, und ich bin sicher, hier wird es auch nicht mehr lange dauern.

Ich gehe die Regalreihen entlang, die Leserin kann das Stöbern nicht lassen, schon habe ich ein Buch in der Hand. Und die Autorin kann`s auch nicht lassen und freut sich, „Die Detektivin“ im Regal zu entdecken. Aber deshalb bin ich nicht hier. Es geht um eBooks, es geht um Leseexemplare für den Buchhandel, denn in den Buchhandel möchte ich nicht nur mit meinen historischen Romanen, sondern auch mit dem neuen Programm aus dem Thoni Verlag. Dass sich hier für Leser Zeit genommen wird, habe ich schon während meines Streifzuges gemerkt – und Zeit hat man auch für ein Gespräch mit der Verlegerin. Lächelnd signiert die Autorin ihr Buch aus dem Regal, und die Leserin stellt sich an der Kasse an und verlässt kurz darauf zufrieden den Laden. Mit einem neuen Buch in der Hand. 
Die letzte Station auf meiner „Messereise“ führt mich zurück in die Unterwelt der B-Ebene im Bahnhof, und auch hier werden Erinnerungen wach. Es ist der Geruch nach abgestandener Luft, der mich mehr als fünfundzwanzig Jahre zurückführt … einen Moment lang bin ich wieder die junge Polizistin, eingesetzt zur Drogenbekämpfung im Bahnhofsviertel. Keine gute Erinnerung. Weg mit den alten Kamellen, die Leserin und die Autorin freuen sich! Schließlich ist mein Ziel eine Buchhandlung. Der Kontrast zum noblen Skyline Plaza könnte nicht größer sein, und objektiv betrachtet gibt`s nicht viel Schönes zu sehen: Ein Laden, in dem es billige Bücher gibt. Auf den ersten Blick. Der zweite irritiert. Eine Schaufensterdekoration wie in einer ganz normalen Buchhandlung; nirgends gestapelte Ramschkisten und lieblos hingeworfene Cent-Ware. Stattdessen nach Themen sortierte Regale, und selbst die obligatorischen Bücherwannen in der Mitte des Raums sehen irgendwie … mit Liebe gestaltet aus. Genau das ist es, was mich auf diesen Laden aufmerksam werden ließ: dass er von begeisterten Büchermenschen geführt wird, und die Chefin Mandy werde ich gleich persönlich kennenlernen, nachdem wir uns bislang nur virtuell begegnet sind. Sie steht an der Kasse, davor eine Reihe Kunden, Mandy und ich begrüßen uns kurz; sie kümmert sich weiter um die Kunden, und ich bestaune DAS Regal: „Unsere deutschen Autoren“. Hat für Irritationen bei einigen Gutmenschen geführt, aber liebevoll ist es gemacht und gemeint.  Spätestens seit dieser Aktion ist der Laden Kult nicht nur bei Lesern, sondern auch bei Schriftstellern, und Mandy stellt sie der Reihe nach auf ihrer ebenfalls mit viel Bücherliebe gestalteten Facebookseite vor, die bekannten wie die unbekannten, nebeneinander, nacheinander, unterschiedslos.

Bevor wir uns endlich in Wirklichkeit und nicht nur virtuell umarmen und begrüßen können, vergeht eine Weile, in der ich Zeit habe zum Stöbern. Und ich sehe, was ich längst weiß: Nicht der Laden, sondern Mandy ist Kult, weil sie diesem versteckten Bücherland hier unten ein Gesicht und eine Seele gibt. Ich muss grinsen, als sie geduldig lächelnd einer Kundin den Weg zur Konkurrenz beschreibt, wo sie sicher das gesuchte Buch von Alice Munro ("Die mit dem Literaturnobelpreis, Sie wissen schon?") finde. Endlich haben wir Zeit füreinander, es wird mein längster Termin heute – ach was, Termin! Ein wunderbares Gespräch über Bücher, nur unterbrochen vom Dienst am Kunden.

„Auch Leute, denen das Geld fehlt für neue Bücher, haben das Recht auf eine gut sortierte Buchhandlung und vernünftige Beratung!“, sagt Mandy bestimmt. Und dass es durchaus möglich sei, in einem "Gebrauchtbuchladen" auch Neuausgaben zu verkaufen. Leider sehen das nicht alle so. Ihre Zeit hier wird nach gut sieben Jahren zu Ende sein. Das Weihnachtsgeschäft noch, dann heißt es langsam Abschied nehmen. Auch wenn es den Laden weiterhin geben wird: seiner Seele wurde gekündigt. Keiner versteht es, die Kunden nicht, die Autoren nicht, Mandy nicht. Sie findet sich ab. Ihren Humor und ihre Bücherliebe kann ohnehin niemand kündigen.
Zum Abschied schießt ihr Mann ein Foto von uns vor dem „Autorenregal“. Es ist mein letztes Messefoto. Die nächsten Kunden wollen bezahlen. Umarmung, au revoir – ich stelle mich hinten an und verlasse den Laden mit einem neuen Buch. Die Leserin in mir kann einfach nicht anders.
PS: Die Bildergalerie zum Bericht folgt in Kürze …

Meine erwähnten Bücher:
Die Detektivin
Der Garten der alten Dame 

Die erwähnten Buchhandlungen:
Mandy bei Facebook
Osiander in Frankfurt 


Update, 15.10.2013
... Und hier sind die Bilder.